Bericht: Werk und Biografie im Zusammenklang: Klavierkonzert in der Kulturschmiede
Schon sein in Studienzeiten entstandenes Frühwerk lässt nicht nur die Leidenschaft durch-blitzen – fünf „Romantische Klavierstücke“ sind je einer Herzensdame gewidmet-, sondern lässt auch ein Faible für komplexe Tondichtung erkennen. Martin Münch, Komponist, Pianist und Gründer des Neckarmusikfestivals, das den Untertitel „Musik im Fluss“ trägt, badet förmlich in den Klängen unterschiedlichster Strömungen.
Tanzte eben die rechte Hand allein auf den Tasten, verdichtet sich die „Ballade“ im Nu zu einer technisch kniffligen Angelegenheit. Steigert das Tempo, wächst das Bangen: Weiß die Rechte, was die Linke macht? Überfordern ist Teil von Münchs Methode und die entfaltet auch in der Kulturschmiede in Neckargartach ihren Reiz.
„Mozart-Münch-Tschaikowsky“ gewidmet ist das vom Russen gerahmte Solo-Programm streng spiegelsymmetrisch angelegt. Tschaikowskys 6. Sinfonie habe er schon als Kind gemocht, sagt Münch. Seiner auf zehn Minuten eingedampften Version fehlen zwar orchestrale Klangfarben, doch der melodische Reichtum und die Stimmungsumschwünge wirken umso direkter und eindringlicher, zumal der Pianist mit langem Halteton endet – ein letztes Ausatmen. Dem Abschied von der Welt in der „Pathétique“ stellt Münch am Schluss des Abends den unbeschwerten Aufschwung im „Blumenwalzer“ aus dem Ballett „Nussknacker“ gegenüber.
Dynamische Wucht, Klangballungen und harte Kontraste kennzeichnen Münchs Eigenschöpfungen. Überkomplexität löst er in Seren auf: „Märchen und Arabesken“ waren eine Auftragsarbeit und sind ein Spaziergang durch Tonarten, die er als Lehrstücke für Fortgeschrittene komponiert hat. In seinen „Capriccios“ erobert sich der Musiker Stück für Stück die Atonalität. Schließlich entwickeln seine „Valse sentimentales“ in der Reibung mit Schubert und Ravel fantastisch schöne Spannungsbögen.
Was zur Beliebtheit der Konzerte beiträgt, ist die Moderation zu Leben und Wert der Protagonisten. Teils gibt er ganz persönliche Bezüge preis, teils findet er Zitate, wie das Gedicht „Am Grabe Mozart, des Sohnes“ von Grillparzer: „Nun öffnen sich dem guten Sohne / Des großen Vaters Arme weit / Er gibt, der Kindestreu zum Lohne / Ein Teilchen dir Unsterblichkeit.“ Eine wunderbare Überleitung zu den „Polonaisen“ h-Moll und f-Moll von Franz Xaver Mozart. Diese bezaubernden Tanzstücke rücken den Komponisten an die Schnittstelle von Wolfgang Amadeus und Frédéric Chopin.
Das gut besuchte Konzert wird mit viel Beifall honoriert, wofür sich der Neo-Romantiker Münch mit einem „Kinderstück“ als Zugabe bedankt. Dessen zarte Melodik zeigt eine ganz andere Facette des Musikers Martin Münch.
Quelle: Heilbronner Stimme vom Samstag, dem 06.06.2015, Leonore Welzin