Der Jahrestag des bisher schwersten Hagel- und Sturmgewitters in der Nach vom 30. Juni auf 1. Juli 1987 jährt sich zum 120. Mal. Ein orkanartiger Sturm mit einem schweren Gewitter und bis gänseeiergroßen Schlossen (Hagelkörner) hauste in einem unbeschreiblichen Ausmaß zerstörte in 15-20 Minuten Häuser und Felder auf der Gemarkung Neckargartach. Der amtlich festgestellte Gesamtschaden betrug rund 700.000 Goldmark, was heute dem Gegenwert von rund 7 Millionen Euro entspricht; private Schätzungen lagen jedoch weit darüber.
Nach meteorologischen Feststellungen hatte das Gewitter seinen Ursprung in Mittelfrankreich, zog gegen 21 Uhr über den Rhein und erreichte kurz nach Mitternacht, in einer Breite von acht bis neun Kilometern, das württembergische Gebiet. Mit alles vernichtender Wucht prasselte der Hagel nieder und zertrümmerte Scheiben und Ziegel und schlug den Verputz von den Hauswänden. Blitz folgte auf Blitz, man glaubte an einen Weltuntergang. Der Himmel war von den fortwährenden Blitzen in grelles, unheimliches Licht getaucht. Wolkenbruchartige Regenfälle platschten auf die Felder und durch die abgedeckten Dächer in Scheunen und Häusern und hatten Anteil an dem Werk der Vernichtung. Auch die Vogelwelt und das Wild waren dem Unwetter schutzlos preisgegeben und wurden arg in Mitleidenschaft gezogen. Neckargartach lag ziemlich genau im Zentrum der, vom Zabergäu anrückenden, tosenden Elemente. Dementsprechend umfangreich waren die Schäden im Dorf und auf der Markung. Ein Augenzeuge berichtete: „In Neckargartach boten die weithin schimmernden, statt der zertrümmerten und die Straßen füllenden Ziegeln mit Brettern notdürftig gedeckten Dächer, die hohlen Fensteröffnungen, die wie nach einer Beschießung zerfetzten Wände auf der Wetterseite einen tief traurigen Anblick.“ In der Familienbibel des Neckargartacher Steinhauers Johann Hagner war nachzulesen: „Es hagelte so stark, dass man meine, der jüngste Tag wollte kommen. Die Bäume wurden aus- und abgerissen, mannsdicke Pappeln wurden gelengt, gerade wie man eine Weide lengt von dem kolossalen –Sturm, der dabei ging. Die andere Nacht war ebenfalls so mit Sturm und Regen, dass man bereits versaufte“. Die Schlossen lagen noch Tage danach an manchen Stellen fuß- oder gar kniehoch. Die Aufräumungs- und Reparaturarbeiten gestalteten sich als äußerst schwierig. Die Pappelallee, die zwischen Neckargartach und der Neckarsulmer Fähre am Neckar entlang führte, war beinahe verschwunden. Neckargartach zählte zu diesem Zeitpunkt 2.980 Einwohner, mit 424 landwirtschaftlichen Betrieben mit einer 1.068 ha großen landwirtschaftlichen Nutzfläche. Hiervon wurden durch das Unwetter über 83% vollständig zerstört. Die zu erwartende Ernte war vernichtet, auf den Feldern stand kein Halm mehr. 13.840 Obstbäume waren entweder vollständig entwurzelt oder schwer beschädigt, die Gärten verwüstet und 23 ha Rebfläche zerschlagen, es standen nur noch nackte Pfähle. Für die Eindeckung der Häuser waren rund 1,1 Millionen Ziegel erforderlich. Nur etwa zehn Einwohner von Neckargartach waren damals gegen Hagelschlag versichert. Neben dem Rathaus war es vor allem die evangelische Peterskirche, die schwersten Schaden erlitten hatte. Die durch das aufgerissene Dach einströmenden Wassermassen weichten die Decke und die Wände im Innern auf und ruinierten sie weitgehend. Die Orgel erlitt ebenfalls Schäden und die Paramente (im Kirchenraum und in der Liturgie verwendete Textilien) wurden durchnässt und verschmutzt. 5.150 Mark mussten zur Instandsetzung des Gotteshauses aufgewendet werden, von denen die 2.883 Seelen zählende Kirchengemeinde selbst nur einen Bruchteil aufzubringen vermochte.
In dieser schwierigen Lage war staatliche Unterstützung erforderlich und so schrieb damals Pfarrer Paul Weitbrecht und der „In tiefster Ehrfurcht Eurer kgl. Majestät allerunterthänigster Kirchengemeinderat“ einen Bittbrief an den württembergischen König in Stuttgart: „In dieser Notlage wagen wir es, an Eure Königliche Majestät uns zu wenden mit der allerunterthänigsten Bitte um gnädige Gewährung eines entsprechenden Beitrags aus Staatsmitteln“. Von der Regierung erhielt Neckargartach ein Notstandsdarlehen von 51.000 Mark und sogenannte Liebesgaben vom Württembergischen Wohltätigkeitsverein in Höhe von 93.391 Mark.
Dass es Neckargartach von allen Gemeinden am schlimmsten getroffen hatte, war in der Neckarzeitung vom 5. Juli 1897 zu lesen. Der Artikel schildert den bereits damals anzutreffenden „Sensations-Tourismus“. „Eine wahre Völkerwanderung zog gestern durch die hiesigen Straßen und Felder. Tausende und Abertausende Personen von nah und fern wollten die schwere Katastrophe, welche die hiesige Gemeinde heimsuchte, sehen. Die Besucher waren überrascht von der Größe des Unglücks. Selbst Besucher von Gellmersbach mussten eingestehen, dass der Schaden in Gellmersbach demjenigen von Neckargartach sich nicht an die Seite stellen lasse“.